Miriam ist eine aufgeweckte, neugierige Frau um die 40. Sie sass auf einer Parkbank und wartete. Heute wollte sie sich mal mit dem Thema Naturcoaching befassen, mit dem sie bisher nicht so viel anfangen konnte. Der Coach neben ihr wartete geduldig, während sie ihre Gedanken ordnete. Sie war eigentlich nur an die frische Luft gekommen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Aber die Idee, Coaching und Natur zu verbinden, fand sie trotzdem spannend. Dabei kamen ihr aber auch ein paar Vorurteile in den Sinn.
„Ich muss ehrlich sein“, sagte Miriam schliesslich, „es gibt ein paar Dinge, die mir am Naturcoaching komisch vorkommen.“
Der Coach nickte mit einem ermutigenden Lächeln. „Na dann, legen wir los. Welche Fragen hast du?“
Mythos 1: „Ich kann allein in die Natur und von ihren Vorteilen profitieren“
„Also, ich gehe oft allein in den Wald, um abzuschalten und nachzudenken,“ sagte Miriam. „Warum brauche ich dafür einen Coach? Die Natur ist doch für alle da, und irgendwie bringt sie mich schon von selbst zur Ruhe.“
Der Coach konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Klar”, sagte er, dann “die Natur ist für alle da, und ja, sie hat eine beruhigende Wirkung. Auch ohne Coach. Diese Frage höre ich sehr oft.” Er schüttelte leicht den Kopf. “Aber weisst du, was der wesentliche Unterschied ist? Es ist so ähnlich wie beim Sport: Du kannst natürlich jederzeit allein ins Fitnessstudio gehen und an den Geräten herumprobieren – aber mit einem Trainer erreichst du deine Ziele nicht nur schneller, sondern auch deutlich gezielter.“
„Hmm…“, überlegte Miriam, „also hilft mir der Coach dabei, mehr aus dem Naturerlebnis herauszuholen?“
„Genau. Ein Coach stellt dir die richtigen Fragen und lenkt deinen Blick auf Dinge, die dir allein wahrscheinlich nicht aufgefallen wären“, erklärte der Coach. „Stell dir vor, du kämpfst mit einem inneren Konflikt. Allein im Wald wirst du ziemlich sicher Ruhe finden, aber am eigentlichen Thema ändert sich dadurch nichts. Ein Naturcoach dagegen nutzt die Umgebung, um tiefere Fragen anzusprechen, die du vielleicht übersehen würdest.“
Miriam nickte nachdenklich. „Also hilft der Coach dabei, den Prozess in Gang zu bringen.?“
„Richtig“, antwortete der Coach. „Er unterstützt dich dabei, aus deinem Spaziergang eine Art ‘innere Reise’ zu machen, die auf deine ganz persönlichen Herausforderungen abgestimmt ist.“
Mythos 2: „Ein Coaching ausserhalb eines Coachingraums ist unprofessionell“
Miriam überlegte kurz, bevor sie weitersprach. „Ok, das habe ich verstanden. Der Vergleich mit dem Fitnessstudio ist wirklich gut. Aber…”, sie zögerte, als würde sie nach einer guten Formulierung suchen. Schliesslich sagte sie: “Was mir ebenfalls ein bisschen suspekt ist: Wie professionell kann ein Coaching überhaupt sein, wenn es draussen in der Natur stattfindet? Da gibt es doch jede Menge Ablenkungen, oder?” Sie schluckte, während der Coach schwieg. “Ich meine, ich kenne Coachings nur in diesen ruhigen, perfekten Räumen, wo man sich schräg gegenübersitzt und sich voll auf das Gespräch konzentrieren kann. Das wirkt dann seriös.“
Der Coach nickte. „Ich verstehe. Ein geschlossener Raum kann tatsächlich ein Gefühl von Sicherheit und Neutralität vermitteln. Aber ist es deswegen der einzige professionelle Rahmen?“
Miriam runzelte die Stirn. „Gute Frage.“
„Weisst du,“ fuhr der Coach fort, „wir wissen aus verschiedenen Studien, dass die Natur das Wohlbefinden steigert und das Denken anregt. Viele Menschen können sich draussen besser konzentrieren und tiefer reflektieren, gerade weil die Natur eine beruhigende und klärende Wirkung hat.“ Er schaute sie von der Seite an. “Und schau mal, wir sitzen hier doch nebeneinander auf dieser Parkbank – macht es dir das nicht leichter, auch heiklere Dinge anzusprechen?”
“Doch, schon…, irgendwie…”.Miriam errötete leicht. “So habe ich das noch gar nie gesehen!”. Leicht trotzig fragte sie dann: „Aber lenkt die Umgebung draussen nicht doch manchmal ab?“.
„Deswegen ist ein ausgebildeter Naturcoach so wichtig,“ erklärte der Coach mit einem breiten Lächeln. „Wir lernen, die Umgebung gezielt einzusetzen, um die Aufmerksamkeit zu fokussieren, anstatt sie abzulenken. Ich könnte dir zum Beispiel bei einem Konfliktthema eine bestimmte Stelle zeigen, die diesen Konflikt widerspiegelt, oder dir helfen, Metaphern zu finden, die dir neue Perspektiven eröffnen.“
Miriam nickte langsam. „Also, die Natur wird quasi ein Teil des Prozesses, anstatt einfach nur Kulisse zu sein.“
„Genau,“ bestätigte der Coach. „Die Natur ist in einem professionellen Naturcoaching mehr als nur der Hintergrund – sie wird zur Teilnehmerin des Coachings, wird sozusagen zum Co-Coach. Und häufig gibt sie einem die entscheidenden Botschaften.“
Mythos 3: „Jeder Coach kann in der Natur coachen“
Miriam nickte. “Ja, das klingt irgendwie nachvollziehbar, aber auch geheimnisvoll. Ich glaube, das muss man erleben, um es verstehen zu können, oder?”
“Ja”, erwiderte der Coach, “das ist tatsächlich so. Warum sollte die Natur gerade jetzt ausgerechnet mir bei exakt diesem Problem helfen? Dieser Gedanke kann uns schon ganz schön verwirren…”.
“Diese Erfahrung will ich demnächst in einem Naturcoaching selber machen!”, fiel ihm Miriam ins Wort. „Aber da gibt es vorher noch einen Punkt zu klären. Wenn ich es nämlich richtig verstehe, könnte doch jeder professionelle Coach auch einfach draussen arbeiten, oder? Coaching ist doch Coaching, egal ob im Büro oder draussen, nicht?“
Der Coach schüttelte lächelnd den Kopf. „Das ist ein Irrtum, der sich hartnäckig hält. Aber nur weil jemand professionell ausgebildet ist und möglicherweise schon lange als Coach arbeitet, heisst noch lange nicht, dass er auch ein guter Naturcoach ist.”
Miriam schaute ihn verwirrt an. „Ach komm schon… und warum nicht? Ich meine, das ist doch nur eine andere Umgebung.”
„Stimmt, aber diese Umgebung bringt eben auch eigene Herausforderungen und Möglichkeiten mit sich“, erklärte der Coach. „Du weisst, dass es im Wald und in den Bergen bei Wetterwechseln durchaus gefährlich werden kann. Ein guter Naturcoach kann nicht nur die Lage richtig einschätzen, sondern er hat gelernt, wie er die Natur aktiv in den Prozess einbinden kann. Und zwar ohne dass sie vom Coaching ablenkt.” Der Coach überlegte kurz, während ihn Miriam neugierig anschaute. “Stell dir vor, du redest über ein schwieriges Thema, und plötzlich zieht ein starker Wind auf. Ein Coach, der noch nicht so viel Erfahrung hat, würde vielleicht einfach weitermachen oder das Treffen sofort abbrechen. Aber ein Naturcoach könnte dir helfen, diesen Wind symbolisch zu nutzen – wenn es die Lage zulässt und es ihn nicht gleich wegbläst.“
Miriam musste lachen. „Ah, okay. Dann könnte man also sagen, dass die Natur sozusagen ein lebendiges Vorbild ist.“
„Genau“, bestätigte der Coach. „Und das Tolle ist: Die Natur ist immer unvorhersehbar. Ein Naturcoach muss lernen, spontan auf Veränderungen zu reagieren und sie als Teil des Prozesses zu integrieren. Das ist eine spezielle Fähigkeit, die man sich antrainieren muss.“
„Würdest du also sagen, dass ein Coach ohne diese Erfahrung draussen nicht professionell ist?“
„Nicht unbedingt. “Der Coach zögerte kurz. “Die Natur hat ihre eigene Dynamik. Wenn der Coach nicht genau weiss, wie er damit umgehen kann und soll, wird das Coaching einfach weniger effektiv sein.”
Miriam nickte und ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Na gut“, sagte sie schliesslich, “das werde ich ja bald selber erleben. Das war für den Moment meine letzte Frage. Vielen Dank für die Klarheit und den Humor dabei!“
Fazit: Naturcoaching ist mehr als ein Spaziergang
Miriam verliess das Gespräch mit einer neuen Wertschätzung für die Tiefe und den Nutzen des Naturcoachings. Sie hatte kapiert, dass ein Naturcoach sie nicht nur begleitet, sondern gezielt leitet und die Natur als Co-Coach nutzt, um tiefere Einsichten zu ermöglichen. Sie war schon sehr gespannt, was sie auf dieser Reise noch alles erleben würde.