Kennst Du „sinnlosen“?
Bis vor ein paar Wochen konnte ich mit dieser Wortschöpfung des bayrischen Kabarettisten Gerhard Polt auch nichts anfangen. Inzwischen liebe ich es – das wunderschöne Wort ebenso wie das, was es bedeutet.
Sinnlosen ist sinnvoll!
In einem Interview, das die Süddeutsche 2011 mit Gerhard Polt zum Thema Langeweile geführt hat, erklärt er: «Ich sinnlose vor ich hin, und das mit Begeisterung.» Und weiter: «Wenn nichts passiert, passiert ja nur scheinbar nichts, weil irgendwas passiert ja immer, und wenn eine Ameise übern Sandboden läuft oder Staubpartikel durchs Fenster sichtbar werden, weil die Sonne reinscheint. Die Frage ist, ob es einem gelingt, sich diesem Angebot zu öffnen.»
Genau das ist die Frage. Denn „sinnlosen“ hat viel mit Langeweile zu tun. Langeweile haben ist wiederum etwas, was wir Westler des 21. Jahrhunderts nicht mehr können. Sich langweilen ist verpönt, schliesslich könnte man in dieser Zeit ja etwas „sinnvolles“ tun. Also arbeiten, lernen, kochen, bügeln, meinetwegen Zähne putzen oder sogar an einem „langweiligen“ Meeting teilnehmen. Jedenfalls etwas, das einen „weiterbringt“. Langeweile tut das nach unserem Verständnis nicht, ganz im Gegenteil.
Gibt es etwas Herrlicheres als eine lange Weile?
Das war allerdings nicht immer so. Langeweile kommt von „lange Weile“. Und eine lange Weile zu haben ist etwas herrliches – nämlich viel Zeit für das zu haben, was man gerade tut. Zeit für sich selber. Auch wenn man gerade nichts tut. Oder gerade wenn man nichts tut. Wenn man „sinnlos“ in einer Wiese liegt und in die Wolken guckt. Wenn man nicht zielgerichtet, sondern „sinnlos“ durch die Natur streift. Wenn man mit allen Sinnen, aber „sinnlos“, im Hier und Jetzt ist.
Ich sinnlose vor mich hin, und das mit Begeisterung.
Gerhard Polt
Sinnlosen ist die Quelle der Achtsamkeit
Achtsamkeit funktioniert nur, wenn ich nicht zielgerichtet handle. Je „sinnloser“ mein Tun ist, desto achtsamer kann ich sein. Sinnlosen und Langeweile stehen deshalb am Ursprung der Achtsamkeit, sie sind nicht nur nützliches Beiwerk, sondern notwendige Zutat. Ohne eine lange Weile, ohne sinnlosen kann ich nicht wirklich achtsam sein.
Das geht auch aus einem Artikel zum Thema Langeweile hervor, der vor einigen Tagen in einer Migros-Publikation namens „iMpuls“ erschienen ist. In diesem Text schreibt die Autorin darüber, wie nützlich Langeweile ist und kommt zum Schluss, dass wir uns öfter langweilen sollten.
Warum dieser Text allerdings mit Tipps, „was man gegen Langeweile tun kann“, endet, entzieht sich meiner Kenntnis. Sinnvoll erscheint es mir jedenfalls nicht, in Momenten der Langeweile „Ferienpläne zu entwickeln“ oder sich zu überlegen, „an was für einem Geschenk ein baldiges Geburtstagskind Freude haben könnte“. Denn dabei macht man Pläne, entwickelt Ideen, und zwar bewusst und zielgerichtet. Also grad das Gegenteil von Achtsamkeit, „sinnlosen“ und langer Weile.
Eine Lange Weile ist ein Geschenk, das Du freudig und dankbar entgegennehmen darfst!
Marc von Ah
Der ultimative Tipp bei einer langen Weile
Es gibt nur etwas, was Du bei (und gegen) Langeweile wirklich tun kannst und tun solltest: nichts! Sinnlosen!
Du kannst mit der langen Weile genau das tun, wozu sie da ist – nämlich sie geniessen! Sei im Hier und Jetzt, sei bewusst, werte nicht, bewahre den Entdeckergeist. All das tust Du, indem Du einfach gar nichts tust. Und damit kommst Du der Idee der Achtsamkeit am nächsten, denn Du bist gewahr, verfolgst keine Absicht, lässt Dich einfach treiben. Diese Lange Weile ist ein Geschenk, das Du freudig und dankbar entgegennehmen darfst.
Wenn Dir dabei absichtslos Eingebungen bezüglich der nächsten Ferien oder Geburtstagsgeschenken kommen, umso schöner.